Sonntagsgedanken Jubilate 3. Mai 2020
Chorus:
VON GUTEN MÄCHTEN WUNDERBAR GEBORGEN ERWARTEN WIR GETROST…
STILLSTAND, HÄNDEFALTEN, RUHIG BLEIBEN, STILLE WALTEN.
Blick zum Himmel fragst du dann. Was kommt? Warten, stille halten, Wartestand und eine lange Wand.
Kaugummigezogen, lang und länger, gleiches bleibt und neues steht, nur nicht hier, nicht bei mir. Warten, immer länger, Händefalten, abstand halten, betend bleiben. Warten, wachen, hoffen beten, erwarten. Jubelwarten…

I Dunkelheit
„Sie ist gerichtet“ – „Ist gerettet“. Blackout, Stille, Vorhang fällt. Ich sauge die Luft ein und ich spüre den Sessel unter mir, wie meine Beine aufliegen. Ich sinke in das rote Polster, einen Moment Stille, einen Moment Dunkelheit, einen Moment lang. Kürzer, bruchstückhaft, kürzer als ein Wimpernschlag und schon brandet er auf, der Applaus, der Beifall, hebt sich der Vorhang. –
Nur nicht jetzt. Ich stecke fest ist diesem Moment. Der Jubel, der Applaus bleibt aus, die Handflächen kommen nicht zusammen. Warten, Warten bis sich der Vorhang wieder hebt, zum neuen Leben.
Chorus:
VON GUTEN MÄCHTEN WUNDERBAR GEBORGEN ERWARTEN WIR GETROST…
STILLSTAND, HÄNDEFALTEN, RUHIG BLEIBEN, STILLE WALTEN.
Blick zum Himmel fragst du dann. Was kommt? Warten, stille halten, Warteschlange und eine lange Wand.
Kaugummigezogen, lang und länger, gleiches bleibt und neues steht, nur nicht hier, nicht bei mir. Warten, immer länger, Händefalten, abstand halten, betend bleiben. Warten, wachen, hoffen beten, erwarten. Jubelwarten…
II Häkelvorhang
Ihr Blick hängt am Vorhang, gehäkelt, Blumenmuster, weißer Stoff, vom Staub leicht angegraut. Ihr Blick hängt am Fenstervorhang. Draußen, hinter den grünen Topfpflanzen und deren Ablegern in ungezählten Tontöpfen, schimmert das neue Grün, das volle, das zarte, das wilde, das neue, das frühlingsgrün des Habichtswaldes, der Bergrücken, der gekrönt ist, gekrönt vom Herkules, gefü+llt mit Ausflugslokalen, Erlenloch, Hessenschanze, Herbsthäuschen, ferne Welt. Unbeweglich sitzt sie an ihrem Küchentisch, der Blick hinaus, der Blick hinauf. Ach, wenn es doch wieder möglich wäre. Die Tram nehmen, hinauf fahren, ein wenig im Grün spazieren. Eine Tasse Kaffee, eine Runde durch den Wald, mit der Freundin, wie jedes Frühjahr in den vielen Jahrzehnten. Wann kommt die Nachricht? Warten, warten bis sich die Tür wieder öffnet, zum neuen Leben.
Chorus:
VON GUTEN MÄCHTEN WUNDERBAR GEBORGEN ERWARTEN WIR GETROST…
STILLSTAND, HÄNDEFALTEN, RUHIG BLEIBEN, STILLE WALTEN.
Blick zum Himmel fragst du dann. Was kommt? Warten, stille halten, Wartestand und eine lange Wand.
Kaugummigezogen, lang und länger, gleiches bleibt und neues steht, nur nicht hier, nicht bei mir. Warten, immer länger, Händefalten, abstand halten, betend bleiben. Warten, wachen, hoffen beten, erwarten. Jubelwarten…

III Schloss
Ein lauter Knall – gefolgt von noch einen und noch einen und noch einen – Knall auf Knall. Die Schritte hallen, erst dumpf dann lauter, immer lauter, plötzlich: abrupter Stopp. Metallgeklapper eine Hand greift nach dem schweren Ring und den vielen Schlüsseln. Die Finger suchen den einen passenden Schlüssel. Der Mechanismus des Schlosses knarzt, knirscht, knallt und dann: öffnet sich, öffnet sich die Tür. Sie schließt sich, Riegelschieben. Schlüsselklappern. Weiter geht es die Schritte knallen über den Steinboden. Und immer wieder der vertraute Moment: Stehen bleiben, nach dem Schlüssel greifen, Sicherheitsschlüssel ins Schloss stecken, umdrehen, einmal, zweimal, warten, Riegelschieben, weiter gehen.
Alltag Tag ein Tag aus. Alltag in einer anderen fern fremden beklemmenden einen gemauerten Welt. Gefängnisalltag. Warten warten ja auf was? Gespanntes Warten, gespanntes warten auf das, was – „ein bisschen so wie der 23. Dezember. Wie der Tag vor Weihnachten. Ellenlang und doch, morgen ist es soweit. Man weiß son bisschen was kommt, aber auch trotzdem noch nicht so recht was kommt.“
Warten, warten bis sich das Tor öffnet, zum neuen Leben.
Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag!
Dietrich Bonhoeffer