Mutgedanken von Birgit Jähnert – Pfarrerin.
Ich wandere gern. Und zum Glück gehört das zu den Dingen, die trotz Corona erlaubt sind. Nur allein oder zu zweit natürlich. Und auch nur dort, wo wenig andere Menschen unterwegs sind. Aber das kann ja beim Wandern auch gerade schön sein. Also bin ich in diesen Tagen unterwegs, wann immer ich Zeit habe und das Wetter dazu einlädt.
Im Kasseler Umland zu wandern, das heißt allerdings: Die Wege können ganz schön anstrengend sein. Es geht mitunter steil bergauf und dann komme ich schon mal ziemlich ins Schnaufen, bis ich oben angelangt bin. Doch die Mühe lohnt sich. Als Belohnung tut sich dann oft ein wunderbarer Blick auf. Vor mir liegt die Landschaft wie ausgebreitet. Und ich schaue in eine große Weite.

Im Moment genieße ich diese Blicke ganz besonders. Sie lassen auch meine Seele weit werden und ich kann so richtig durchatmen. Das tut gut!
Denn auch wenn ich im Moment – verglichen mit so vielen anderen Menschen – weiß Gott nichts zu klagen habe, wird es mir in diesen Tagen doch manchmal durchaus eng ums Herz. Etwa wenn mir bewusst wird, dass für all das, was wir gerade erleben, noch gar kein Ende in Sicht ist. Für eine gewisse Zeit kann ich gut auf manches verzichten. Kein Problem. Wenn ich da klagen wollte, das wäre Jammern auf hohem Niveau! Aber so langsam spüre ich, was das heißt, auf lange Sicht immer auf Abstand zu anderen blieben zu müssen – in der Familie, im Freundeskreis, in der Gemeinde. Niemanden die Hand geben zu können, niemanden in den Arm nehmen zu dürfen oder zu besuchen – und natürlich auch keinen Gottesdienst zu feiern und nicht im Chor zu singen. Selbstverständlichkeiten, die unmöglich geworden sind. Dann komme ich mir schon sehr eingeengt vor.
Mit dem weiten Blick vor Augen kann diese Enge für eine Weile in den Hintergrund treten. Das erlebe ich als Geschenk. Und mehr als einmal ist mir dabei schon der Psalmvers durch den Kopf gegangen:
Gott, du stellst meine Füße auf weiten Raum (Psalm 31,9b).
Und dann spüre ich in diesem Moment: Ja, das stimmt. Gott stellt meine Füße auf weiten Raum. In diesem Fall im ganz wörtlichen Sinn. Aber im übertragenen Sinn kenne ich das Gefühl auch. Auch wenn es ganz eng wird im Leben – es kann darin auch eine Weite stecken. Eine Chance. Eine Möglichkeit. Etwas Neues, das gut tut. Etwas, mit dem ich gar nicht gerechnet habe. Etwas, das mir geschenkt wird.
Wie wir diese Weite spüren können?

Da kann ich mir in diesen Tagen vieles vorstellen.
Für sich selbst einen weiten Blick haben und etwas tun, das Spaß macht, sich etwas gönnen. Etwas Leckeres essen vielleicht, alte Fotos anschauen, den Frühling in die Wohnung holen, spazierengehen….
Oder den Blick hin zu den anderen weiten. Telefonieren, ein Päckchen packen, alte Kontakte beleben, sehen, wem ich helfen oder wem ich eine Freude machen kann – oder auch sich trauen, selbst jemanden um Hilfe bitten! das kann mitunter auch ganz neue Möglichkeiten eröffnen ….
Oder auch den Blick in die Zukunft weiten. Für bessere Zeiten planen – den Urlaub, einen Besuch, eine Unternehmung, einen Einkauf – und sich schon jetzt darauf freuen.
Was uns diesen weiten Raum spüren lässt, das wird für jeden und jede sehr unterschiedlich sein. Wir erleben ja diese Tage auch sehr, sehr unterschiedlich. Und darum kann das auch nur jeder und jede selbst entdecken.
Du, Gott stellst meine Füße auf weiten Raum.
Vielleicht laden der Psalmvers und eines der Bilder Sie dazu ein, sich einmal selbst auf die Suche zu machen. Zu entdecken, welche Weite Gott für Sie bereit hält und welche neuen Möglichkeiten es gibt.
Text und Fotos: Birgit Jähnert