SONNTAGSGEDANKEN 19. APRIL 2020
I Unterwegs im Leben
Gehe ich durch die Stadt, habe ich ein mulmiges Gefühl. Ich fürchte mich vor den Blicken derer, die den Mundschutz tragen: Vorwurfsvoll? Angstvoll? Bin ich der Infektor, bin ich der, der mit Viren, Tröpfchen, Schmierinfektionen spielt?
Gehe ich durch die Stadt, bin ich zuweilen amüsiert. Blauer Latex über den Fingern, Zigarette dazwischen. Schwarze Handschuhe bereiten das Essen zum Mitnehmen zu, kassieren das Geld, streichen die Haarsträhne aus dem Gesicht. Und dann — alter Rotkreuzler, Reste der Hygieneschulung im Langzeitgedächtnis — schau ich belustigt zu, wie die Handschuhe ausgezogen und mit bloßer Hand zusammengeknüllt werden. Wo war da noch der Nutzen?



II Handschuhe
Ich greife in die Kiste, fasse in Latex. Das Material ist leicht und trocken. Hätte ich doch die mit Balsam genommen… Meine Finger friemeln die Öffnung hervor. Jetzt könnte die Hand hineingleiten, einfache und sichere Entnahme steht da. Aber ist mehr ein Ziehen und Zerren. Das Latex muss sich dehnen, muss eng anliegen. Wie eine zweite Haut — nur dann ist es sicher. Ich werde den süßlichen Plastikgeruch nicht mehr los. So riecht Sicherheit für mich und andere: Safer contact — Safer life. Neue Haut, neues Leben. Bereit für socializing. Mundschutz auf, fertig.
III Sicherheit Gefühlt
Masken geben Sicherheit. Masken schützen andere. Masken geben ein gutes Gefühl! ich stecke keine Anderen an! – Masken stecken an: Masken sind cool! Masken sind instagramable! Masken sind in den Profilbildern von WhatsApp! Masken sind Trend! Masken sind Blümchenmuster! Masken sind Botschaftsträger „Bitte Lächeln“! Masken sind empfohlen – Masken könnten helfen – könnten andere schützen – sollen sie auch.

IV neue Haut
Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.
Die Bibel Brief an die Galanter Kapitel 3 Vers 27
Wir haben Christus angezogen, schreibt Paulus, als er nach Worten sucht, nach Hoffnung ringt, nach Bildern das unbegreifliche wahr zu machen. Da ist kein Weltende gekommen, da ist kein Christus vom Himmel herabgestiegen mit Pauken und Trompeten, wie gehofft, wie ersehnt und erbetet von ersten Christ*innen, da ist keine neue Welt in Sicht, viel mehr alter Trott und immer gleiches warten.
Wir haben Christus angezogen, schreibt Paulus. Wie eine neue Haut, wie ein Schutzmantel Gottes, wie ein zartes Bild der Hoffnung – nein liebe Christ*innen – es rettet nicht vor Pest, Verdienstausfall, Corona, es ist etwas neues:
Wir haben Christus angezogen, schreibt Paulus, eine neue Haut, nicht ganz von dieser Welt, nicht ganz von unserm Stern und doch: Menschlich, zugewandt, voll Lebensfreude hinein in das getümmel, mit Abstand, mit Schutz und neuem Leben: Wir haben Christus angezogen, wir haben Mut etwas zu wagen. Strahlen durch die Augen, das Herzanblicken proben durch alle Masken hindurch und das Leben zu schenken, all denen die es brauchen.

Lieber Tobias,
erst mal willkommen – nun ganz in der Stadt. Und schade, dass es infolge von Corona so gut wie keine analogen Zusammenkünfte mehr gibt.
Umso mehr danke für dein „Nur Mut“ von gestern. Sehr ansprechend! Hat mir gefallen.
Das auf die Schnelle.
Weiter gutes Ankommen und liebe Grüße
Frank
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